André GIDE



„Es erfordert mehr Mut, seine Ansichten zu ändern als an ihnen festzuhalten“ (Friedrich Hebel)

André Gide war sein Leben lang damit beschäftigt, die ihn vergiftende Saat seiner großbürgerlichen und dazu noch protestantischen Erziehung im Keim zu ersticken, sich neu zu erziehen und neu zu erfinden, die ihm oktroyierten Ansichten seiner Schicht und seines Milieus auf deren Wahrheitsgehalt zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern: „Il n´existe presque rien sur quoi je n´ai pas changé d´opinion“. (Es gibt fast kein Thema, über welches ich meine Meinung nicht geändert hätte):
Eine Sisyphos-Arbeit!
Seine Wahrheitsliebe aber auch seine „Religion des Lebens“ führten den homosexuellen Schriftsteller mit einer Vorliebe für kleine Jungs dazu, sich selbst einer erbarmungslosen Hexenjagd zu unterziehen, ja, den Prozess zu machen:
Er outete sich in den 20er Jahren in seinen Büchern („Corydon“, „La porte étroite“, “Si le grain ne meurt“) nach quälenden Jahren der Ich-Suche, zermürbt durch den Krieg gegen sich selbst, gegen das lustvolle Ausleben seiner strafbaren Neigungen, die daraus resultierenden, akut empfundenen Schuldgefühle und den Selbsthass chronisch ankämpfend, von denen er sich nur durch hartnäckige Arbeit an sich selbst befreien konnte. Selbstvorwürfe und Diffamierungen waren Jahre lang sein tägliches Brot. Aufgrund seines Einflusses auf eine ganze Generation von jungen Leuten, wurde „L´immoraliste“ von seinen ebenso zahlreichen wie auch leidenschaftlichen Feinden als „Brunnenvergifter der Jugend“ betrachtet. Doch Gide ist mehr als nur ein spiritueller Führer seiner Zeit gewesen. Er übte auch eine große Macht auf die damalige Literatur, nicht nur als selbstloser Talenten- Entdecker. Seine bildende, führende Rolle als literarischer Leiter der Ton angebenden  Nouvelle Revue Française (NRF) ist sowohl in Frankreich als auch im Ausland enorm gewesen. Man bedenke: Die hochkarätige NRF stellte damals die Académie Française in den Schatten! André Gide selbst vereint in seinem einmaligen, eleganten Schreibstil die französischen Grundprinzipien der Ästhetik: Musikalität, brillant gepaart mit psychologischer Tiefe. André Gide ist und bleibt einer der ganz großen französischen Schriftsteller und interessantesten Persönlichkeiten der Weltliteratur: André Gide ou la fascinante reconstruction de soi!




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