22.01.2019 -BREL in Gernsheim

 

 

 

Stimmt tatsächlich, was André Gide sagte: „Kein künstlerisches Werk ohne das Zutun des Teufels.“ Suzanne Bohn warf die Frage in den Raum, nachdem sie vom Lebensende des Chansonniers Jacques Brel erzählt hatte: Mit 45 Jahren der Rückzug von allem, Weltreise, weit weg von der Hektik, der Geldgier, der Sucht nach Erfolg und Ruhm – „mit 49 ist er tot“.

 

Der Flame, der sich für einen Franzosen hielt, ruht auf dem Friedhof von Atuona auf den Marquesas-Inseln, fast Grab an Grab mit dem Maler Paul Gauguin. „Beide waren heimatlos, hatten eine gebrochene Identität, waren gequälte Seelen, exzessiv, rastlos und selbstzerstörerisch veranlagt“, so Bohn.

 

Unter dem Motto „Ne me quitte pas!“ hatte der Verein Städtepartnerschaften anlässlich des Deutsch-Französischen Tags zu 90 Minuten für den französischen Chansonnier und Schauspieler Jacques Brel eingeladen. Mit eben diesem Titel eröffnete Alex Wehrum einen vergnüglichen Abend. Dabei erfüllte die französische Conférencière Suzanne Bohn alle Erwartungen: charmant, fundiert und mit viel Wortwitz zauberte sie eine verbale Champagnerparty in das vollbesetzte Schöfferhaus.

 

Bohn stellte Brel als „Monument des französischen Chansons“ neben Georges Brassens und Léo Ferré: „Alle drei kündigen, jeder auf seine spezifische, provokative Art, nicht nur 1968 an, sondern sie heben das Chanson in den Adelsstand eines literarischen Fachs.“ Sie erfanden „la chanson à texte, den Chanson mit anspruchsvollen Texten“. Das Triumvirat sei unerreicht geblieben, mehr noch: „Sie wurden offiziell zu Literaten und Poeten erklärt.“ Mit ihnen sei schließlich das Chanson à texte gestorben.

 

Brels 1929 begonnenes pralles Leben leuchtete die Vortragskünstlerin in allen Nuancen aus. Der Autor, Komponist und Interpret hinterließ ein Werk von mehreren hundert Liedern, absolvierte jährlich 300 Auftritte – und hatte nur eine Schaffensphase von 13 Jahren. Sechs Jahre davon brauchte er, bis 1959 mit „Quand on n’a que l’amour“ der Durchbruch kam. Dann aber feierte der virtuose Interpret mit seinem breit gefächerten Repertoire Erfolg auf Erfolg. Der Chansonnier erfand eine eigene Sprache: bigottisieren, prozessionieren, friedhöfen, brüssellieren, gestapotisieren oder etwa brüdern. Die Titel der „komplexen Persönlichkeit“ sind schmissig und ergreifend, romantisch und ironisch, poetisch und beleidigend. Aus diesem Vorrat überraschte Wehrum die Zuhörer mit weiteren Liedern.

 

Suzanne Bohn nannte das „Bühnentier Brel“ einen Bourgeois, der Bourgeois für Schweine hält, einen Provokateur, der vor Anarchie eine Heidenangst hat, einen Kirchen-Lästerer, der an den Messias glaubt, einen Kriegserklärer an Flandern und an die Frauen, der sich inbrünstig danach sehnt, von ihnen geliebt zu werden. Er eckte an, provozierte bis hin zur Beleidigung. Und dennoch: „Le plat pays“ („Mein flaches Land“) wurde 1969 zum Lied des Jahrhunderts gewählt. Spätestens da war Brel in der ganzen Welt Aushängeschild der französischen Kultur.

 

Das packende, exzessive Leben des Chansonsängers setzte sich nach seinem Abschied von der Bühne fort: Er wurde Schauspieler, Regisseur, Segler, Weltbummler. Doch: „Getrieben von einer unstillbaren Sehnsucht nach dem unerreichbaren Stern kehrt er Anfang der 1970er-Jahre, verbraucht, verbittert und krank, der Gesellschaft den Rücken, um auf den Marquesas-Inseln zu leben.“ Der Künstler starb am 9. Oktober 1978 im Alter von 49 Jahren an Lungenkrebs.

 

Von Hans-Josef Becker in „Echo de Gernsheim“ - Jacques BREL  - 22 janvier 2019

 

 

 





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